11. April 1945: Zeitzeugen erinnern sich

Am 11. April 1945 flogen US-amerikanische Kampfflugzeuge einen Luftangriff auf Hellmitzheim. Schon Tage vorher fielen Granaten und Bomben auf das Dorf.

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Auszüge aus Berichten von Zeitzeugen

Zum 76. Jahrestag der Zerstörung von Hellmitzheim hat der Arbeitskreis Dorfarchiv vom Bürgerhausverein Auszüge aus Zeitzeugenberichten zusammengetragen. Lassen wir nun diejenigen zu Wort kommen, die damals die Geschehnisse vor, während und nach den Zerstörungen selbst erlebt haben:

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Teil 1 (von 2) | 1944 bis zum 10. April 1945

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1944 … wurde die große Glocke vom Turm heruntergelassen und nach Hamburg wegtransportiert zum Einschmelzen. Die Mutter hat gesagt: “Jetzt ist der Krieg verloren!“ | Anni Büttner, geb. 1922

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Es ist Anfang Dezember 1944. Wir erreichten unseren Zielort Hellmitzheim. Die Flüchtlinge wurden auf Hellmitzheim und die umliegenden Nachbarorte verteilt. | Hans Neusius, geb. 1935, vom Kriegsschauplatz im Saarland nach Hellmitzheim umquartiert

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Sind wir in Hellmitzheim die fünfeinhalb Kriegsjahre so gnädig behütet geblieben, so hat mit dem letzten Großangriff auf Nürnberg am 2. Januar 1945 eine besonders unruhige Zeit begonnen. | Rosel Bartholomäus

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Ende März 1945:

Wir Soldaten sollten noch in Salzburg zur Waffen-SS, wir zeigten aber die Einberufung nicht, sondern fuhren heim. Ich war am 30. März 1945 vom Arbeitsdienst in Klagenfurt nach Hause gekommen. | Hans Föttinger

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Schon am 26. März hatte ich vier kleine Koffer mit dem Allernötigsten und einem Kistchen mit vollen Einmachgläsern zu Krieners in den Keller gebracht. Auch die Matratze von Liesels Bett, um in der Not zur Entbindung ein Lager im Keller zu haben. | Rosel Bartholomäus

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Anfang April 1945:

Es ist ein relativ mildes Frühjahr. Die Bauern können das Vieh bereits jetzt mit Klee füttern. Auch die Kartoffeln gedeihen in diesem Jahr besonders gut. | Anni Wirsing, geb. Lindner, geb. 1929

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Lebensmittel, Kleidung und Betten wurden in den Keller geschafft. Im Regenwasserbassin wurde Weizen gelagert, Zucker wurde in Dosen eingegraben. | Georg Brummer, geb. 1936

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Die nahende Front tobte: Hüttenheim, Marktbreit, Obernbreit wurden geräumt. Es kamen Flüchtlinge von dort hier durch. | Rosel Bartholomäus

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Am 6. April 1945 früh tauchten von Hüttenheim nach Mönchsondheim die Amerikaner auf und nahmen die deutschen Panzer unter Beschuss. Am 8. April 1945 gegen Mittag fuhren die Amerikaner mit vier Panzern auf und nahmen unsere Mühle unter Beschuss. Ein Blindgänger ging durch das Dach. | Hans Föttinger

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Am 8. April 1945 war ein strahlender Sonntag, der ruhig verlaufen ist. In der frühe, solang die Kinder schliefen, besorgte ich Butter im Dorf. | Rosel Bartholomäus

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Am 8. April kamen wir (2. Kompanie) zurück nach Markt Einersheim und weil die Amerikaner wieder da waren, zogen wir uns zurück Richtung Schloßberg. An Waffen hatten wir noch Gewehr und Panzerfaust. | Otto Fink, geb. 1927

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… in diesen Tagen gab der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Holz, der sich gerade in Schwarzenberg aufhielt, den Befehl: “Die Frontlinie Hellmitzheim – Dornheim muss unter allen Umständen gehalten werden!“ | August Weigand, geb. 1931

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Am 9. April 1945:

Mit dem deutschen Leutnant, der Hellmitzheim besetzt hielt, konnte man nicht verhandeln, dass die Soldaten wieder abziehen. Er hat gesagt: “Sind die Städte kaputt, sollen die Dörfer auch kaputt sein. Ich habe auch keine Heimat mehr“. | Elsa Mandel, geb. Weigand, geb. 1933

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Es war schon März, als sie gemerkt hatten, dass die Front näherkommt. Am 9. April 1945 brannte der Hof vom Weigands Heiner. Wir mussten auch löschen. | Anni Büttner

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Meine Schwester Elfriede und ich waren bei Kreitlein (Gasthaus Goldene Krone) im Keller, weil der sicherer war. Dort war auch ein Russe mit einem l4-jährigen Buben, und die Russenfrau kam gesprungen und erzählte, dass es unten im Dorf beim Weigands Heinrich brennt. | Elsa Mandel

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Liesel Endres hatte sich in ihrer tapferen Haltung schon vor Tagen hervorgetan, als die Scheune des Heinrich Weigand abbrannte. Sie stieg in die Höhe hinauf, wo Männermut versagte, und zog sich eine schwache Rauchvergiftung zu. | Rosel Bartholomäus

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Unterhalb des Pfarrhauses sehe ich eine Frau mit dem Gesicht nach unten auf der Straße liegen. Ich will ihr helfen und drehe sie um. Erstarrt vor Schreck, erkenne ich Katharina Haag. Sie ist tot. | Anni Wirsing

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Am 10. April 1945:

Wir waren am Bruckhof. Am 10. April kamen deutsche Soldaten mit ihrem Leutnant, stellten alles auf den Kopf und zogen wieder weiter… | … ich selbst verriet nicht, dass ich die Gegend gut kannte. Im Bruckhof war kein Mensch mehr da, nur die Tiere brüllten vor Hunger. Erst haben wir die Tiere gefüttert… | Otto Fink

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Am Waldhof war ein deutscher Befehlsstand. Die dortige Bäuerin hörte wie ein Offizier sagte: “Da unten im Dorf hat der Bürgermeister Verrat geübt. Der wird gehängt“. | August Weigand

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Fischers, die außergewöhnlich tüchtige Familie aus dem Saarland, räumten bei Kriener all ihr und mein Hab und Gut in den alten Hauskeller und auf einen großen Wagen, den sie ins Freie stellten. Sie halfen, wo es Not tat. | Rosel Bartholomäus

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Am anderen Tag war Geschützfeuer zu hören. Bald war klar, dass der Nachbarort Dornheim, zwei Kilometer südlich von Hellmitzheim, das Ziel war… | … Von einer Mauer am Dorfrand konnten wir und die Jugend des Dorfes das „Spektakel“ in Dornheim beobachten. Die Abschüsse und darauffolgenden Einschläge kamen uns wie eine lebendige Wochenschau vor. | Hans Neusius

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In einer weiteren Veröffentlichung erinnern sich Zeitzeugen an den 11. April 1945 und an die folgenden Tage. Diese weiteren Erinnerungen werden hier auf hellmitzheim.de ab kommenden Sonntag, 11. April 2021, veröffentlicht …

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Titelfoto: Das 2005 errichtete Mahnmal am Eingang zur Dorfkirche erinnert an die Zerstörung von Hellmitzheim im April 1945 | Archiv_Harald_Heinritz