11. April 1945: Zeitzeugen berichten – Teil 2

Vor 76 Jahren ereilte die Anwohner von Hellmitzheim ein schwerer Schicksalsschlag: Der Krieg kommt in unser Dorf.

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Zum 76. Jahrestag der Zerstörung von Hellmitzheim hat der Arbeitskreis Dorfarchiv vom Bürgerhausverein Auszüge aus Zeitzeugenberichten zusammengetragen. In einem ersten Teil wurde dabei über die Zeit von 1944 bis zum 10. April 1945 berichtet. Nunmehr erzählen die Zeitzeugen über den Schicksalstag 11. April 1945 und die Folgetage:

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Teil 2 | 11. April 1945 und Folgetage

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11. April 1945,:

Ich hatte am 18. März 1945 Konfirmation. Den Beschuss haben wir im Keller erlebt, tagsüber sind die Leute raus zum Füttern und Melken, literweise tranken wir rohe Milch. | Otto Kreitlein, geb. 1931

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Überall weidete das losgebundene Vieh, oft nicht ungefährlich. Unsere liebe Liesel hatte den größten Spaß an ein paar jungen Ziegen, die die Familie Stammler mit sich genommen hatten. | Rosel Bartholomäus

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Wir rannten zum Bahndurchlass und sahen, dass der Seehof schon brannte. Es wurde laufend geschossen… | … Gegen 14.00 – 14.30 kamen die ersten Flieger. Das Ultimatum, das Dorf kampflos zu übergeben, war für 14.00 Uhr gestellt. | Georg Brummer, geb. 1936

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Am 11. April waren keine Soldaten mehr bei uns. Die Amerikaner fuhren bis zum Kirschenwasen (in Mönchsondheim) und nahmen von dort aus Hellmitzheim unter Beschuss… | … Ich beobachtete die Aufklärer, wie sie über Hellmitzheim kreisten… | … Viermal flogen die Jagdbomber Schleifen, ich hörte Geschrei und lief zum Bocksteig und sah, wie es im Dorf brannte. | Hans Föttinger

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Meine Aufgabe bestand darin, im Keller auf meine Schwester aufzupassen und die Kellerfenster zu kontrollieren, damit nicht durch Funkenflug unser Bettlager verbrannte. | Hans Neusius

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Unser Martin wurde auch verschiedene Male ängstlich und wollte weinen; dagegen hat sich unsere kleine Liesel ganz vorbildlich benommen. Das Kind war voller Vertrauen und Ruhe. | Rosel Bartholomäus

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Als beim Schmied eine Bombe reinging, rieselte der Sand in den Scheunenkeller. Die Holzlegen haben lichterloh gebrannt. | Elsa Mandel

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Mein Vater kommt in den Keller zu uns zurück und wird durch den Druck einer Bombe mit voller Wucht die Treppe hinunter geschleudert. Seine Schreie sind entsetzlich. | Anni Wirsing

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Unser liebes Dorf lag vor uns in einem solch großen Flammenmeer. Vor unseren Augen loderte Kirche und Kirchturm auf in hellen Flammen… | … Im Zusammenhang mit diesem Angriff wurde dem tatkräftigen Bauern Adam Weigand, der schon im 1. Weltkrieg ein Bein eingebüßt hatte, das andere gesunde Bein im Knie durch Tiefflieger angeschossen. | Rosel Bartholomäus

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Wir sind in Panik zum Dorf rausgesprungen, Richtung Haag. Den Vater (Adam Weigand) sah ich zu Hause im Hof sitzen, aber ich rannte weiter Richtung „Grundlos“ (=Quelltopf des Kirchbaches am nord-östlichen Dorfrand). | Elsa Mandel

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Wir beobachteten, wie der Kirchturm in sich zusammenfiel. Allgemeine Panik war ausgebrochen, der Phosphor brannte auf der Straße. | Anni Büttner

Die bis auf die Mauern zerstörte Kirche.
Foto: ca. von 1948/49
Dorfarchiv, überreicht von Georg Rechter.

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Die Häuser gingen in Flammen auf. In Massen waren Stabbrandbomben mit Phosphorsprengsätzen abgeworfen worden. | Hans Neusius

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Sie (mein Vater Konrad und Adam Weigand) sahen, wie der brennende Kirchturm in sich zusammenstürzte. In dieser schweren Situation sagte Adam Weigand zu meinem Vater: “Konrad, wir bauen Hellmitzheim wieder auf“. | Hans Brehm, geb. 1938

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Durch die abgeworfenen Phosphorbomben schlängelt der brennende Phosphor überall auf den Straßen entlang. | Anni Wirsing

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Als ich abends heimging, traf ich den Baiers Georg (Wanka). Er brannte an den Beinen, wurde noch verbunden, starb aber doch an den Verbrennungen. | Elsa Mandel

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Die alte Frau Popp, am Dorfeingang rechts, ist im Haus verbrannt. Sie wollte noch Kleidungsstücke retten, und blieb ein Raub der Flammen. | Rosel Bartholomäus

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Nun wurden die Verwundeten in unserem Keller untergebracht. Am Tag darauf, 12. April 1945, wurde Hellmitzheim von den Amerikanern besetzt und die beiden Verletzten mit einem Sanitätsauto abgeholt. | Hans Brehm

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Nach dem 11. April

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Ein schwarzer Amerikaner hat gesehen, dass unser Scheunengiebel brennt und einfällt, hat Hilfe geholt und uns aufgeweckt. | Otto Kreitlein

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Die Amerikaner haben über den Krieg geschimpft und der Mutter Medikamente für ihre Verbrennungen im Gesicht gegeben… | … Das verwundete Vieh ist notgeschlachtet worden. Das Fleisch gab´s bei Lindner. Wir haben bis November 1945 unter freiem Himmel gekocht. | Elsa Mandel

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In Mailach traf ich einen Kameraden von der 3. Kompanie, der war beim Ulrichs-Müller in Hellmitzheim gewesen. Er erzählte, dass in Hellmitzheim fast alles weggebrannt ist. | Otto Fink

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15. Mai 1945: Mein Mann Georg war vom Rheinland zurück nach Regensburg, ist von dort zu Fuß nach Hellmitzheim und sah schon von weitem, dass kein Kirchturm mehr da war. Er war einer von den ersten, die nach Hause kamen. | Anni Büttner

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Es dauert einige Zeit, bis sich die ersten Männer wieder in unserer Gastwirtschaft auf ein Glas Bier treffen. Das Gesprächsthema ist immer das Gleiche. Wir alle sind traumatisiert. | Anni Wirsing

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Die große Glocke kam aus Hamburg zurück. Sie wurde auf einem Notgerüst zum Läuten im Kirchgässla aufgebaut, da die Kirche ja am 11. April 1945 abgebrannt war. | Anni Büttner

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Die ausführlichen Berichte der einzelnen Zeitzeugen liegen dem Arbeitskreis Dorfarchiv Hellmitzheim vom Bürgerhausverein Hellmitzheim vor.

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Übrigens: Am 30. September 2021 jährt sich die Wiedereinweihung der Hellmitzheimer Dorfkirche zum 70. Mal. Der Arbeitskreis Dorfarchiv ist an Fotos und Dokumenten zu diesem Ereignis sehr interessiert. Einfach bei Marion Weigand oder Harald Heinritz melden.

30. September 1951:
Wiedereinweihung der Hellmitzheimer Dorfkirche.
Foto: Dorfarchiv, von Anni Ziegler überreicht.

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Und hier noch ein abschließendes Zitat:

„Friede ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ | Willy Brandt, Deutscher Bundeskanzler (1969 – 1974)

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Titelfoto: Die bis auf die Mauern abgebrannte Dorfkirche und Kirchenburg nach der Zerstörung vom 11. April 1945.