50 Jahre Gemeinde-Gebietsreform

Hellmitzheim / Iphofen: „Und edz sin mir Gröpfer, edz hammers derfou. Edz schaud uns es Lebdoch, ke Mädla mehr ou!“ – Gedanken zur Gebietsreform von 1972.

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Dieses nicht nur in Hellmitzheim bekannte Kirchweihlied fällt mir in Gedenken an die Eingemeindung vor 50 Jahren ein. Hier einige fundiertere Details rund um die Bayerische Gemeinde-Gebietsreform zum 1. Januar 1972:

Prämie für willige Gemeinden

Die Gemeinden durften sich ihren Partner zunächst aussuchen. Der Freistaat Bayern lobte sogar Prämien aus. Wer sich freiwillig eingemeinden ließ, erhielt ein Kopfgeld von 80 D-Mark je Einwohner. Dazu kamen Sonderschlüsselzuweisungen. Die Kommunen ließen sich, wenn sie schon ihre Selbstständigkeit aufgaben, in Verträgen ihre Rechte sichern. Das führte zu mancher Kuriosität.

Im Vorfeld der damaligen Eingemeindung legte der Hellmitzheimer Gemeinderat Wert auf den weiteren Wegeausbau, auf Straßenbeleuchtung und auf den Weiterbau des Sportplatzes.

Eberhaltung und Holzbackofen

Neben der Unterhaltspflicht für Straßen, Wege und Gräben sollte der Kirchturm in die städtische Baulast übergehen und das Schulgebäude zum Gemeindehaus werden. In der Wasserversorgung wurde eine gesonderte Haushaltsführung festgeschrieben und wie in Dornheim musste die gemeindliche Eberhaltung bestehen bleiben, ebenso Hut- und Weiderechte.

In Possenheim sollte sich die Stadt verpflichten, den Holzbackofen der Gemeinde zu erhalten und dessen Betreiber kostenlos Logis zu gewähren.

Neuer Landkreis und neuer Bezirk

Die Einwohnerzahlen stellen sich damals – wie fast heute auch – so dar: 2.800 zählt der Stadtteil Iphofen, die eingemeindeten Orte Birklingen, Dornheim, Nenzenheim, Mönchsondheim, Possenheim und Hellmitzheim kommen auf 1.600 Bewohner. Ende 2020 zählen alle Stadtteile zusammen 4.725 Einwohner. Außerdem wechselte man bei dieser Gebietsreform nicht nur den Landkreis (bis 1971 Landkreis Scheinfeld, dann Kitzingen) sondern auch vom Regierungsbezirk Mittelfranken (Regierungssitz Ansbach) zu Unterfranken (Würzburg).

Was gab es damals noch, was man heute aber vergebens in Hellmitzheim findet?

Wer erinnert sich…? Ein paar Beispiele:

  • Postamt bei Familie Rückel bis 1974
  • Gemeindestube …und…
  • darunter die Milchsammelstelle
  • Bäckereien (letzter Bäcker bis 1981 – Hans Reuther)
  • Kauf-/Lebensmittelladen (Familien Heintz und Käufer)
  • Bahnhaltestelle mit Personenbeförderung (bis 1982) und Güterumschlag
  • Schulbetrieb
  • Filiale der Raiffeisenbank mit Lagerhaus
  • Viehwaage
  • Gemeinschaftsgefrieranlage (am Spielplatz)
  • Beschrankter Bahnübergang
  • Landkreis-Kennzeichen mit drei Buchstaben

Was gibt es heute, was es vor der Gebietsreform so noch nicht im Dorf gab?

  • Sportheim und Sportplatzgelände
  • Kindertagesstätte mit Hort
  • Bürgerhaus
  • Abwasseranschluss an Kläranlage
  • Gemeindeverbindungsstraße Hellmitzheim / Mönchsondheim
  • Neues Kanalnetz
  • Gemeindehaus mit Gemeindewiese
  • Größeres Feuerwehrhaus
  • Neubausiedlungen (Im Haag und Am Kirchbach)
  • Bahnbrücke
  • Zentrale Fernwasserversorgung
  • Öffentliche Buslinien

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In die Infrastruktur der früher selbstständigen Dörfer wurde in den letzten Jahrzehnten teils kräftig investiert: In Pflichtaufgaben wie Kläranlagen- und Kanalbau, aber auch in Wunschprojekte wie die Sanierung von Bürgerhäusern. Hier einige Beispiele der letzten Jahre:

Der Evangelische Kindergarten und
das Bürgerhaus Hellmitzheim (unten)
wurden 1995 eingeweiht.
Im Mai 1995 wurde das ehemalige „Röschenhaus“ in der Mönchsondheimer Straße
feierlich zum Bürgerhaus eingeweiht.
Die Außenfassade der Kirche inklusive Turm wurden 2009 saniert.
Jahre vorher wurde auch der anliegende Friedhof im Rahmen einer Umbettung neu gestaltet (Foto unten).
2003 bis 2011: Dorfsanierung im Rahmen einer Städtebauförderung.
Foto oben während der Bauarbeiten in der Mönchsondheimer Straße, unten ein Blick in die Dornheimer Straße am ASV-Sportheim.
Neubaugebiet unterhalb des Adelsberges am Kirchbach.
Das lange Jahre leerstehende „Jägerhaus“ in der Sportplatzstraße
wird von der politischen Gemeinde erworben, saniert und neuer Wohnraum geschaffen.
2009 und 2018 wird der Spielplatz neu angelegt und bekommt teils auch neue Spielgeräte.

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Hier noch die Übersetzung des eingangs genannten Kirchweihliedes ins Hochdeutsche:

Und nun sind wir Iphöfer,  

(=umgangssprachlich „Gröpfer“)

jetzt haben wir es davon.

Jetzt sieht uns bis auf weiteres,

kein Mädchen mehr an.“

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Alle Fotos: Harald_Heinritz_Archiv