Aus Alt und Pfui wird Neu und Hui

Sie betrieben Upcycling schon, als es das Wort noch gar nicht gab: Die Iphöfer Patchwork-Gruppe setzt mit altem Stoff neue Trends.

„Das ist der Dieter!“ Andrea Neubert lacht und hält eine große, blaue Tasche in die Höhe. Das Modell besticht durch knackig-coole Optik. „Es besteht aus einer alten Jeans und einem abgelegten Karo-Hemd als Futter“, sagt die Iphöferin, öffnet die Tasche und zeigt deren innere Werte. Dieter, der echte, ist ein Freund der Familie. Hosen und Hemden, die er nicht mehr trägt, landen nicht im Altkleidersack, sondern Andrea und ihre Näh-Kolleginnen erwecken sie zu ganz neuem Leben, etwa zu lässigen Shopping-Taschen. Upcycling, der aktuelle Trend, ist im südlichen Landkreis Kitzingen schon seit vielen Jahren an der Tagesordnung.

Nach einem Vhs-Kurs vor über 20 Jahren und dem Besuch einer Näh-Ausstellung flammte die alte Leidenschaft wieder auf. Aus der ersten kleinen Gruppe wurde rasch ein Kreis von 15 Frauen, der sich heute „Iphöfer Patchwork-Gruppe“ nennt. Jeweils am ersten Montag im Monat kommen die Damen aus Iphofen, Hellmitzheim, Nenzenheim, Schwarzach, Großlangheim und Neustadt/Aisch zusammen, jede hat ihre eigene Nähmaschine unterm Arm, außerdem Stoffe verschiedener Art. Die Treffen finden im Wechsel im Hellmitzheimer Bürgerhaus und in Iphofen statt.

„Wir haben schon ganz viele verschiedene Sachen genäht“, stellt Sigrid Weigand fest. „Jeder Nähmontag hat ein eigenes Motto.“ Eine Auswahl ihrer Upcycling-Produkte haben die Frauen auf dem Tisch vor dem Hellmitzheimer Bürgerhaus aufgebaut. Große und kleine Rucksäcke sind hier zu sehen, Kissen, Körbe, Geldbeutel, Decken, Ordnungs- und Tischboxen aus Stoff und vieles mehr. Formen, Farben und Muster scheinen keine Grenzen zu kennen.

Von der kreativen Ader profitieren nicht nur die leidenschaftlichen Näherinnen selbst – zum Beispiel indem sie sich zwei Stunden vorm abendlichen Ausgehen noch schnell die passende Tasche zum Outfit nähen –, sondern auch ihre Freunde. „Wenn man mal schnell ein Geschenk braucht, fertigt man einfach etwas Individuelles an“, meint Inge Neubert. Allerdings, schränkt Sigrid Weigand ein, „Auftragsarbeiten nehme ich nicht an.“ Nähen erfordert viel Zeit und Kreativität – und die können und wollen die Frauen nicht in bare Münze umrechnen. „Wenn ich jemandem was schenke, dann kommt das von Herzen und ist extra für denjenigen bestimmt.“

Auch völlig fremde Menschen hat die Iphöfer Patchwork-Gruppe schon beschenkt – und will das heuer wieder tun. „Wir planen ein Sozialprojekt. Gemeinschaftlich wollen wir große Nesteldecken für Demenzkranke nähen“, blickt Sigrid Weigand voraus. „Das sind Decken mit eingearbeiteten Taschen aus verschiedenen Stoffen, harten und weichen, an denen Reißverschlüsse, Kordeln und Knöpfe angebracht sind. Demente Personen beschäftigen sich gerne damit und entspannen dabei.“ Apropos entspannen: „Elfriede entspannt am besten bei ganz feinen Handstichen“, sagt Andrea Neubert lachend. „Ich dagegen will am liebsten schnell einen Erfolg sehen.“ In der Gemeinschaft mache das Nähen auch deswegen am meisten Spaß, weil man von den Fertigkeiten und Erfahrungen der Kolleginnen profitiert. „Wir bilden uns quasi untereinander weiter.“ Zwar hat jede der Frauen ihr eigenes kreatives Spezialgebiet. Bei einem Satz aber leuchten die Augen aller auf: „Taschen gehen immer!“. Elfriede Heinritz bringt es auf den Punkt: „Manchmal sieht man ein altes Kleidungsstück und denkt: Das wird eine Handtasche. Oder ein Shopper. Und schon legt man los.“ Dieter lässt grüßen.

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